“Schlanke Körper verbiegen dynamisch ihre Gliedmaße. Sie scheinen sich zum Klang imaginärer Musik zu drehen und zu winden. Beine recken sich elegant in die Höhe, Arme athletisch gen Boden. Es sind die neuesten Skulpturen aus der Werkstatt des Gelsenkirchener Künstlers Jürgen Buhre, der seine filigranen Bronze-Kreaturen nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. „Metamorphose“ heißt die Ausstellung, die im Industrieclub Friedrich Grillo eröffnet wurde.
Mit den feingliedrigen, tänzerischen Werken ist Buhre in der „Königsklasse“ angekommen, wie er selbst sagt: bei der Arbeit in edlem Bronze. Buhre, 1963 in Gelsenkirchen geboren, betreibt seit vielen Jahren sein Atelier auf der Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 in Wanne-Eickel. Hier widmet er sich der Malerei, Reliefbildern und Skulpturen. Aber egal, welche Technik er gerade wählt, im Mittelpunkt stehen seine sogenannten „Buhre-Menschen“, ganz eigenständige, originelle, auf wenige dünne Linien reduzierte Figuren, die zumeist in Bewegung erscheinen.
Was Besucher der Ausstellung in Gelsenkirchen erwartet
In den lichten Räumen an der Zeppelinallee zeigt Jürgen Buhre vor allem neuere, in der Corona-Zeit entstandene Arbeiten. Er titelte die Schau mit über 30 Exponaten „Metamorphose“, weil sie beredt die Verwandlung, die Veränderung von der flächigen Malerei in die Zwei- und Dreidimensionalität dokumentiert.
Dem Besucher begegnen auf groß- und kleinformatigen Leinwänden „Der Mandarin“ oder „Der schwarze Kaiser“, „Die Lieblingsfrau“ oder „Der Bauernkönig“. Aber selbst die Werke in der Fläche wirken durch den pastosen Farbauftrag und die dicken Materialkrusten so reliefartig, als ragten sie in den Raum hinein. Buhre wählt bevorzugt schwarze und weiße Töne, die er durch kräftiges, feuriges Rot dynamisch auflädt, durch fröhlich-leuchtendes Orange oder zartes Grün in allen Nuancen. „Nur Blau“, lächelt er, „mag ich bis heute nicht so.“
Seine Stoffreliefs entwickelte der Künstler erstmalig 2012 während seines Stipendiums an der renommierten „Cité Internationale des Arts“ in Paris. Er formte sie auf informellen Farbflächen aus alten Stofflappen. Die farbgetränkten Fetzen, Überreste aus der Mal-Arbeit, zerriss und zerschnitt er, klebte, verknotete, tackerte und formte sie zu Figuren auf die Leinwand. Es sind ausdrucksstarke Menschen, mal statisch, meist dynamisch.
„Meine Inspiration bekomme ich durch Situationen, Emotionen und Bewegung“, erzählt Jürgen Buhre. Apropos Bewegung: Die Skulpturen, die zunächst aus dünnen Stahldrähten und inzwischen aus edler Bronze entstehen, drücken Buhres Faszination für den Tanz aus. Seine feinen Linien im Raum visualisieren die Eleganz und die Geschmeidigkeit durchtrainierter, dünner Körper. Die Oberflächen besitzen eine ganz eigene Struktur, teils sind Linien in sie hinein geritzt, die Skulpturen bekommen eine jeweils unterschiedliche Farbigkeit. Mal blitzt Gold unter dem Schwarz hervor, mal wirkt das Grün wie eine Patina oder leuchtet frisches Rot und Pink. Die Titel der fein lackierten Bronzen erinnern an berühmte Tänzerinnen und Tänzer. Pina ist eine Hommage an Pina Bausch, „Polunin“ gedenkt des ukrainischen Ballett-Tänzers Sergei Polunin. Die Oberflächen der vielfältigen Figuren mit ihren scheinbar eingefrorenen Bewegungen laden förmlich zum Begreifen, zum Anfassen ein, vom Künstler durchaus erwünscht.”
Die Ausstellung „Metamorphosen“ ist noch bis zum 15. September im Industrie-Club an der Zeppelinallee 51 zu sehen. Anschließend stellt dort die Gelsenkirchener Malerin und Illustratorin Margarete Gockel aus.
Berichterstattung: WAZ Gelsenkirchen / Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services